DIE RACHE DER HAUSHALTSGERÄTE

 

 

 

Der Kampf mit dem Installateur

Eines friedlichen Vormittags wurde der Wasserhahn in unserer Küche undicht und begann zu tropfen. Ich eilte sofort zu Stucks, dem einzigen Installateur in der Gegend, um ihn an das Krankenlager unseres Hahns zu bitten. Es war jedoch nur Frau Stucks zu Hause, die mir versprach, daß Stucks zu Mittag kommen würde. Als Stucks auch am frühen Nachmittag nicht gekommen war, ging ich wieder zu ihm. Zu Hause war nur Frau Stucks. Sie sagte mir, sie hätte Herrn Stucks gesagt, daß er zu uns kommen solle, aber Herr Stucks hätte nicht zu uns kommen können, weil er zu jemandem andern gehen mußte. Er würde jedoch am frühen Abend zu uns kommen.

Stucks kam am frühen Abend nicht und nicht am späten, und als ich zu ihm kam, war niemand zu Hause. Von den Nachbarn erfuhr ich, daß das Ehepaar Stucks ins Kino gegangen sei. Ich steckte einen Zettel ins Schlüsselloch: Herr Stucks möchte bitte am nächsten Morgen zu uns kommen, weil unser Wasserhahn einer Reparatur bedürfe.

Als ich am Morgen aufwachte und Stucks noch nicht da war, ging ich zu ihm. Ich erwischte ihn beim Verlassen seiner Wohnung. Er behauptete, daß er sich gerade auf den Weg zu mir machen wollte, aber da er mich jetzt sowieso getroffen hätte, wäre ich vielleicht damit einverstanden, daß er erst mittags zu mir käme, weil er vorher noch zu jemandem andern gehen müsse. Er würde um eins kommen, sagte er. Ich fragte ihn, ob er nicht um halb zwei kommen könnte, da ich um eins noch auswärts zu tun hätte. Nein, antwortete er, leider, seine Zeit sei zu knapp, entweder um eins oder gar nicht.

Ich wartete bis drei, und als er nicht kam, ging ich zu ihm. Er war nicht zu Hause. Seine Frau versprach mir, nach seiner Rückkehr dafür zu sorgen, daß er am nächsten Morgen oder spätestens gegen Mittag kommen würde.

Stucks kam weder am nächsten Morgen noch gegen Mittag. Als ich zu ihm kam, saß er beim Mittagessen und sagte, er hätte nicht kommen können, weil er soviel zu tun hatte, aber jetzt sei es endlich soweit, er würde nur noch rasch etwas essen und käme in einer Stunde.

Ich wartete bis zum Abend. Stucks kam nicht. Deshalb ging ich zu Stucks. Diesmal war niemand zu Hause. Ich setzte mich auf die Türschwelle, um zu warten. Gegen Mitternacht erschienen Herr und Frau Stucks. Ich fragte ihn, warum er mich bis in die Abendstunden vergebens hatte warten lassen. Weil er bis jetzt beschäftigt gewesen sei, sagte Stucks. Aber ich sollte mir, sagte Stucks, keine Sorgen machen, er käme ganz bestimmt morgen früh um halb sieben. Ich fragte ihn, ob er nicht um sieben kommen könnte. Nein, sagte er, völlig ausgeschlossen, halb sieben oder gar nicht. Schließlich einigten wir uns auf 6 Uhr 45. Um zehn war er noch immer nicht da. Was tun? Ich ging zu ihm. Seine Frau – er selbst war nicht zu Hause – versprach mir, zu meinen Gunsten bei ihm zu intervenieren. Als ich fortging, lief sie mir nach und erkundigte sich, wer ich sei und was ich wolle. Ich informierte sie, daß unser Wasserhahn in der Küche ständig tropfe und ob Herr Stucks nicht endlich kommen könnte, um ihn zu reparieren. Wenn Herr Stucks versprochen hätte, zu kommen, sagte Frau Stucks, dann käme er ganz bestimmt.

Da er bis zum Mittag nicht kam, suchte ich ihn auf. Er saß gerade beim Mittagessen und stellte mir sein Kommen in Aussicht, sobald er fertig wäre.

»Wissen Sie was?« sagte ich. »Ich warte hier auf Sie.«

Stucks beendete in aller Ruhe seine umfängliche Mahlzeit, stand auf, gähnte und streckte sich. Es täte ihm leid, sagte er, aber er sei gewohnt, nach dem Essen ein wenig zu schlafen. Damit verschwand er im Nebenzimmer. Ich blieb sitzen.

Um sieben Uhr abends gab mir Frau Stucks auf Anfrage bekannt, daß ihr Gatte schon längst das Haus verlassen habe, durch die Hintertüre. Aber wenn er zurückkäme, würde sie ihm sagen, ich hätte auf ihn gewartet. Allmählich wurde mir bewußt, daß dieses ewige Hin und Her zwischen meinem und seinem Haus zwecklos war. Ich beschloß, bei Stucks sitzen zu bleiben. Um neun Uhr abends kam er und bedauerte, infolge der Hitze völlig vergessen zu haben, daß es mich überhaupt gab.

»Was wünschen Sie von mir?« fragte er.

»Herr Stucks«, sagte ich, »wenn Sie nicht zu uns kommen wollen, dann sagen Sie’s doch. Ich kann meinen tropfenden Wasserhahn ja auch von einem anderen Installateur reparieren lassen.« Stucks war betroffen.

»Aber warum sollte ich nicht kommen?« sagte Stucks.

»Das ist ja mein Geschäft. Davon lebe ich.«

Und er gab mir sein Ehrenwort, daß er morgen um sieben Uhr zur Stelle sein würde. Mein Instinkt trieb mich bereits um sechs zu seinem Haus. Ich fing ihn gerade noch ab, als er es verließ. Er sei zu einer Reserveübung seiner Truppeneinheit einberufen worden, sagte er.

»Ich gehe mit Ihnen«, sagte ich.

Auf dem Übungsplatz ließ ich ihn nicht aus den Augen. Wir übten zusammen, entschärften einige Minen und entfernten uns gemeinsam.

»Gehen Sie ruhig nach Hause«, sagte er. »Ich ziehe nur rasch meine Zivilkleider an und komme Ihnen nach.«

Als er mir nach fünf Stunden noch nicht nachgekommen war, ging ich zu ihm, fand ihn jedoch nicht vor. Seine Frau versprach mir, ihn über meinen Besuch zu unterrichten.

An nächsten Morgen kaufte ich einen Revolver, ging zu Stucks und wartete. Zu Mittag kam er nach Hause, nahm die übliche Mahlzeit ein und schickte sich zum üblichen Nickerchen an. Ich fragte ihn, ob er etwas dagegen hätte, wenn ich seinen linken Arm mit einer Handschelle an meinen rechten fesselte. Nein, sagte er, er habe nichts dagegen.

Wir schliefen etwa eine Stunde und machten uns dann auf den Weg zu meinem Haus. Plötzlich befreite sich Stucks von seinen Fesseln und rannte davon. Ich schickte ihm eine Salve nach. Er erwiderte das Feuer. Als ihm die Munition ausging, kam er mit erhobenen Händen auf mich zu, begleitete mich ohne weiteren Widerstand und reparierte den Wasserhahn. Gestern begann der Hahn wieder zu tropfen.

Alarm macht häuslich

Seit die schlechten Nachrichten, die wir regelmäßig zum Frühstück bekommen, um den täglichen Einbruchsdiebstahl bereichert wurden, hat sich im Lebensstil unserer Gartenvorstadt ein deutlicher Wandel vollzogen. Die Menschen trauen sich nicht mehr, ihr Haus zu verlassen. Sie fürchten, es könnte während ihrer Abwesenheit ausgeraubt werden – wie das erst unlängst Herrn Geiger geschah. Er hatte sich in eine nahe gelegene Lebensmittelhandlung begeben, um ein halbes Dutzend Eier zu kaufen, und als er zurückkam, fehlte in seiner kahlgeplünderten Wohnung sogar der Kühlschrank. Bei der jetzt herrschenden Hitze ist so etwas sehr unangenehm. Die Einbrecher waren in einem Fernlaster vorgefahren und durch die kunstvoll geöffnete Tür ins Innere des Hauses gelangt, ohne daß den Nachbarn etwas aufgefallen wäre. Sie hatten zwar das Verladen der Möbel beobachtet, aber sie nahmen an, daß die Geigers umziehen würden, und um solche Dinge kümmerten sie sich nicht. Auch als ein Einbruch in das Haus der Familie Melnitzky erfolgte und der Wachhund minutenlang bellte, begnügten sie sich damit, ihn zu beschimpfen. Wahrscheinlich ist das verdammte Vieh wieder hinter einer Katze her, sagten sie.

Bei dieser neutralen Haltung konnte es nicht bleiben. Immer mehr Familien bekehrten sich zur Elektronik und versorgten ihre Häuser mit garantiert einbruchssicheren Alarmsystemen. Schließlich war auch an uns die Reihe.

Natürlich griffen wir nicht nach dem ersten besten System, das uns unterkam. Nach gründlicher Marktforschung stellten wir fest, daß alle die gleichen Fanggeräte enthielten, die gleichen Fotozellen und das gleiche Überschall-Auge, das bei der geringsten verdächtigen Bewegung im Haus sofort zu zwinkern beginnt. Deshalb war maßgebend, welche Lieferfirma am schnellsten einen Reparaturfachmann schickt, wenn mit der Alarmanlage etwas nicht stimmt. Bei Tula & Co. dauerte das angeblich nicht länger als vierundzwanzig Stunden. Wir entschieden uns für Tula & Co. Bald war unser Haus mit einem Gewirr von furchterregenden Drähten umgeben, das selbst den verwegensten Einbrecher abschrecken mußte. Wohlgefällig besah Tulas Techniker sein Werk.

»Okay«, sagte er. »Hier kommt nicht einmal eine Fliege herein.«

Als nächstes wurden wir über das absolut sichere Funktionieren der Alarmanlage informiert: Falls der elektrische Strom ausgeschaltet würde, träten die Batterien an seine Stelle, und im Falle untauglich gewordener Batterien käme ein eingebautes Notreservoir zum Tragen.

Was aber, so begehrten wir weiter zu wissen, wenn es kein Dieb ist, der unsere Schwelle überschreitet, sondern wir selbst, des Hauses Eigentümer? Ganz einfach, antwortete Tula & Co. Die Alarmsirene trete immer erst nach fünfzehn Sekunden in Aktion, so daß wir Zeit genug hätten, sie abzustellen. Das wäre schon deshalb ratsam, weil wir andernfalls ertauben würden.

Seither sind wir im Bilde. Wenn in unserer Straße eine Alarmsirene aufheult, wissen wir, daß Frau Blumenfeld wieder einmal vergessen hat, die Anlage abzustellen.

Wir selbst fühlten uns völlig sicher und gingen noch am selben Tage aus. Unser Vertrauen hielt bis zur übernächsten Straßenecke an. Dann blieb die beste Ehefrau von allen erbleichend stehen:

»Um Himmels willen«, flüsterte sie. »Ich weiß nicht, ob ich den Alarm eingeschaltet habe…«

Wir sausten zurück, fanden alles in bester Ordnung und machten uns glücklich auf den abermaligen Weg. Als wir im Restaurant die Speisekarte studierten, durchfuhr mich plötzlich eine Art telepathischer Botschaft: »Falscher Alarm, falscher Alarm!«

Atemlos langten wir zu Hause an. Tatsächlich: Die ganze Nachbarschaft hatte sich versammelt, Wattepfropfen in den Ohren und Flüche auf den Lippen. Besonders erbittert war unser Nachbar Felix Seelig, dem seine Nachtmahlgäste davongelaufen waren, weil sie den ohrenbetäubenden Lärm nicht vertrugen. Wir baten ihn um Entschuldigung, die er uns nicht gewährte, und betätigten den Notruf zu Tula & Co. Der Reparaturfachmann entdeckte binnen kurzem die Ursache des Betriebsunfalls: Unser Telefon hatte geklingelt und mit seinem Signal die Sirene aufgeweckt. Künftig sollten wir vor jedem Verlassen des Hauses den Telefonstecker herausziehen und zur Sicherheit auch den Fernsehapparat lahmlegen. Am folgenden Abend gingen wir ins Kino, die ganze Familie. Der Film war auch für unsere Kleinen geeignet, ein Krimi, aber nicht zu kriminell. Gerade als es spannend zu werden versprach, griff die beste Ehefrau von allen mit zitternder Hand nach meinem Oberarm. Auch ihre Stimme zitterte:

»Ephraim . ich . das Telefon . ich bin nicht sicher, ob ich den Stecker herausgezogen habe…«

Mit einem Satz war ich im Foyer, rief Felix Seelig an, entschuldigte mich für die Störung zu so später Stunde und fragte ihn, ob er vielleicht einen Lärm hörte ähnlich dem gestrigen. Nein, es sei nichts zu hören, sagte er. Zufrieden schlich ich auf meinen Sitz zurück und versuchte, den unterbrochenen Spannungsfaden aufzunehmen.

Zehn Minuten später wiederholte ich meinen Anruf: Man kann nie wissen.

Felix antwortete unverändert negativ, nur sein Tonfall hatte sich ein wenig in Richtung Grobheit verändert. Beim drittenmal hob er gar nicht erst ab. Ein klassischer Fall von guter Nachbarschaft.

Was den Krimi betrifft, so habe ich leider nicht mehr erfahren, wer der Mörder war, denn wir verließen das Kino vor Schluß des Films und rasten in polizeiwidrigem Tempo nach Hause. Völlige friedliche Ruhe empfing uns. In unserer begreiflichen Erleichterung vergaßen wir den Fünfzehn-Sekunden-Spielraum, was uns dann die beruhigende Gewißheit verschaffte, daß die Alarmanlage nichts von ihrer Lautstärke eingebüßt hatte.

Einige Tage später waren wir zu Besuch bei den Spiegels, unseren alten Freunden. Mitten im Genuß der von Frau Spiegel hausgemachten Eiscreme überkam mich wieder eine telepathische Zwangsvorstellung. Ich ließ die Eiscreme schmelzen, sprang in den Wagen und steuerte heimwärts. Es war nichts.

Um diese Zeit begann ich das Publikum in öffentlichen Lokalen zu beobachten. Wenn ich beispielsweise an einem Kaffeehaustisch zwei Leute sitzen sah, die nervös um sich blickten und bei jedem stärkeren Laut zusammenfuhren, dann wußte ich: Die haben zu Hause ein einbruchssicheres Alarmsystem. Es kam der Tag, an dem wir unser Opern-Abonnement ausnutzen mußten.

»Wir werden das Zeug abschalten«, entschied die beste Ehefrau von allen. »Draußen regnet’s. Bei diesem Wetter bricht niemand ein.«

»Wozu brauchen wir dann überhaupt eine Alarmanlage?« fragte ich.

»Für unseren Seelenfrieden«, antwortete sie. Und sie hatte recht, wie immer. Der Gedanke an die ausgeschaltete Sirene versorgte uns mit innerem Gleichgewicht für drei Arien und ein Rezitativ. Dann war’s vorbei.

»Jetzt!« zischte meine entschlußkräftige Lebensgefährtin. »Jetzt, in diesem Augenblick, wird bei uns eingebrochen!«

Auch ich konnte es ganz deutlich fühlen. Berufseinbrecher wissen aus Erfahrung, daß der durchschnittliche Alarmsystembesitzer am elften Abend das Haus verläßt, ohne die Sirene einzuschalten. Sie zählen die Tage, angefangen vom Tag des Erwerbs, sie warten, sie lauern, und wenn es soweit ist – mit einem Wort: Wir fuhren nach Hause. Und fanden alles in Ordnung. Unsere Nerven und unser ganzer Gesundheitszustand begannen allmählich Verfallserscheinungen aufzuweisen.

Dem Tula-Techniker war dergleichen nicht neu. Einige seiner Kunden, so ließ er uns wissen, hätten Wächter gemietet, die vor dem Haus patrouillierten und im Falle eines falschen Alarms nach dem Rechten sähen.

»Großartig!« gab ich hämisch zurück. »Das kann ich ja selbst, vor meinem Haus auf und ab gehen.«

Es wurde von Tag zu Tag schlimmer. Gestern begann die Sirene zu heulen, als der Postbote über einen lockeren Draht stolperte. Meine arme Frau geriet an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Man mußte etwas unternehmen.

»Ich hab’s«, sagte ich. »Wir werden ganz einfach nicht mehr ausgehen, und die Sache ist erledigt.«

So geschah’s, und so hat unsere kostspielige Alarmanlage das Einbrecherproblem endgültig aus der Welt geschafft. Besser mit der Möglichkeit eines Raubüberfalls leben, als in der ständigen Furcht vor einem falschen Alarm. Wir rühren uns jetzt nicht mehr aus unseren vier Wänden, weder bei Tag noch bei Nacht. Das ist die Lösung: Bleibe zu Hause und alarmiere dich redlich.